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Schreibstube Bremsen oder Gasgeben    

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Anmeldedatum: 07.01.2007
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BeitragVerfasst am: 28.06.2016 20:34 Uhr   Titel:

 Lesezeit: 3,63 Min 

   

Bremsen oder Gas geben?

An einem heißen August-Tag fuhren wir einmal mit einer kleinen Gruppe von fünf Motorrädern flott durch die in gleißendem Sonnenlicht daliegende Landschaft des mittleren Havelländischen Luchs.

Offenbar waren wir aber nicht schneller als der so oft zitierte Schutzengel, der uns wohl begleitet haben muss. Denn weniger dank Fahrvermögen, als eher mit richtig viel Glück haben wir dabei eine gefährliche Situation überstanden.

Was war also passiert?

Wildunfälle sind für alle Verkehrsteilnehmer eine große Gefahr. Aber während man mit einem Metall-Panzer um sich herum höchstens ein geknautschtes Äußeres riskiert, wenn man einmal auf ein rot- oder schwarz befelltes Wildtier trifft, sieht es für einen Motorradfahrer schon ganz anders aus. Umso mehr sollte man sich auf solche Situationen vorbereiten. Dazu gehört etwa, dass man Zeichen erkennt, die das Risiko erhöhen. Als erstes natürlich das Verkehrszeichen, das auf einen häufigen Wildwechsel hinweist. Nur zu gern wird ein solches Zeichen missachtet. Und auch das damit häufig verbundene Tempolimit von 70 km/h. Mag sein, dass dies daran liegt, dass einem die "70" zu willkürlich erscheint. Es ist auch kaum bekannt, dass die schnellsten Exemplare der hiesigen Fauna es auf genau diese 70 km/h bringen (der gemeine Feldhase etwa oder ein Reitpferd). Auch wenn andere Arten langsamer sind (Rehe ca. 60 km/h, Wildschwein bis zu 50 km/h), ist ihnen dieses Tempo jedoch "bekannt". Das heißt, ein sich näherndes Fahrzeug können die Vierbeiner bei Tageslicht solange richtig einschätzen, wie dies bis zu 70 km/h schnell ist. Ist es schneller, dann bleibt es bei der tierischen Annahme und so kommt es schnell zu einem Crash, weil die bemessene Zeit für die Straßenüberquerung eben nicht ausgereicht hat. Und selbstverständlich gilt dies alles nicht, wenn die Tiere aus welchem Grunde auch immer aufgescheucht wurden.

Ein weiterer Risikofaktor ist das Gelände. Vor allem, wenn auf der einen Seite freies Feld ist und auf der anderen Straßenseite schattiger Wald eine Erholung von der Tageshitze verspricht, kommt es schnell und wiederholt zum Seitenwechsel. Und so war es nun auch in unserem Fall.

Die alt bekannte Regel, dass mit Wildwechsel vor allem morgens und abends bei Dämmerlicht zu rechnen sei, wurde einmal mehr Lügen gestraft, denn das Ganze spielte sich bei helllichtem Tage ab. Links war dunkler Wald und rechts von der Landstraße ein Feld mit hohem Grasbewuchs, so dass es ohne jede Vorwarnung zu unserer Begegnung kam. Auf einmal, etwa 15 Meter vor mir, sprang ein Reh über die Straße. Was nun also tun? Mir ging im Bruchteil einer Sekunde der Gedanke durch den Kopf, dass ein großer Automobilclub einmal die Empfehlung aussprach, bei Rehen "einfach drauf zu halten". Denn im Gegensatz zu einem durch zu starkes Bremsen verursachten Sturz, der völlig unberechenbare Konsequenzen nach sich ziehen würde, wäre es sicherer für einen Motorradfahrer, das Tier, das anatomisch verhältnismäßig leicht zu seiner Körperhöhe ist und dadurch einen weit oben liegenden Schwerpunkt hat, einfach wegzuschleudern. Durch die eigene Masse des Fuhrwerkes und seiner Geschwindigkeit würde der Impuls, der sich im Zeitpunkt des Aufeinandertreffens entwickeln würde, die Maschine samt Fahrer trotz Blessuren oben halten und einen Sturz verhindern.

Netter Gedanke. Dennoch war ich darauf nicht vorbereitet. Und so beging ich einen heftigen Fehler: im Eifer des Gefechtes konnte ich mich nicht richtig entscheiden. Denn ich machte beides! Einerseits gab ich Gas und gleichzeitig wollte ich die Bremsung einleiten, indem ich den Kupplungshebel zog. Die Folge davon war, dass sich meine Geschwindigkeit kaum verringerte, dafür aber der Motor drastisch aufheulte.

Tja, wie zu Beginn schon erwähnt, schlug jetzt aber das pure Glück zu. Denn wie sich herausstellte, war genau diese dumme Aneinanderreihung von unzulänglichen Handgriffen die einzig richtige Aktion gewesen, die die gesamte Gruppe sicher durch diese gefährliche Situation brachte!

Aus dem Augenwinkel nahm ich wahr, dass das Reh nicht allein war. In seiner Begleitung befanden sich vier kleine und wirklich putzige Rehkitze. Während die Mutter schon den auf der anderen Straßenseite liegenden Wald erreicht hatte, lagen die Jungtiere noch als kleine, zusammen gekauerte Fellbündel im Graben an der Straße. Gerade erhob sich eines von ihnen und blickte der Ricke hinterher. Es war ziemlich wackelig auf seinen für den kleinen Körper viel zu dünnen und viel zu langen Beinchen.

Als es schon den ersten Schritt zur Anhöhe der Straße machte, passierte das Missgeschick des ersten Fahrers. Durch den plötzlich laut aufheulenden Motor erschrak das Kitz so sehr, dass es unweigerlich in seinen dünnen Stelzen förmlich einknickte und wieder in Deckung ging.

So blieb der Motorradgruppe genügend Zeit, die Stelle ohne Gefahr zu passieren. Und wahrscheinlich erst, als wir außer Hörweite waren, hat es der kleine Sprung geschafft, sich wieder mit seiner Mutter zu vereinen.

Mir selbst brachten das Abenteuer und vor allem der Ärger über die vermeintlich falsche Reaktion einen ziemlichen Blutdruck ein. So nutzten wir wenige Kilometer weiter die Gelegenheit, um eine kurze Pause einzulegen. Lustiger weise war dies in unmittelbarer Nähe zu einem sehr skurrilen – aber für Brandenburger Verhältnisse nicht überraschenden – Namenschild für einen Ortseingang. "Kotzen" stand da schwarz auf gelb und es sprach mir aus der Seele.
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Wer nicht gelebt hat, der kann auch nicht sterben.

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